Freitag, 9. November 2018

Rezi - Im Freien Fall oder wie ich mich in eine Pappfigur verliebte von Jessica Park

Statt die ersten Tage am College zu genießen, beaufsichtigt die ohne Wohnung in Boston gestrandete Julie plötzlich eine 13-Jährige, die keinen Schritt ohne die lebensgroße Pappfigur ihres Bruders Finn unternimmt. Zugegeben, ihres sehr gut aussehenden Bruders Finn. Der befindet sich zwar gerade auf Weltreise, schreibt aber E-Mails, die Julies Knie butterweich werden lassen. Doch wieso zögert er seine Rückkehr immer weiter hinaus? Weshalb stört sich niemand an seinem platt gedrückten Doppelgänger? Und verliebt Julie sich tatsächlich gerade in eine Pappfigur?
Ich war kurz davor, das Buch abzubrechen. Ich bin mit der Protagonistin Julie überhaupt nicht warm geworden, im Gegenteil, ich hab einen Hass auf sie entwickelt, wie noch nie bei einem Buch. Sie war überheblich, hielt sich für etwas Besseres („auf das geistige Niveau der anderen begeben“) und basiert noch dazu auf sexistischen und heteronormativen Vorurteilen, die sie nicht nur selber erfüllt, sondern auch allen anderen andichtet. Schminken ist also das, was Dreizehnjährige tun? Nägellackieren ist soweit Mädchensache, dass es ausschließlich Mädchen tun dürfen, und auch, dass es quasi eine Pflicht für jedes Mädchen ist. Sie versucht die besondere, auf ihre Weise coole Celeste krampfhaft zu verändern und in Schubladen und Normen zu stecken, um ganz normal zu sein, statt sie in ihrem Wesen und in ihrer persönlichen Entwicklung zu unterstützen. Ich habe mein dreizehnjähriges Ich sehr mit Celeste identifiziert und jeder Hieb, der in Richtung „Du musst dich anpassen, darfst auf gar keinen Fall anders sein, Individualität ist schlecht“ ging, ging auch in meine Richtung. Und genau das ist die Botschaft dieses Buches. Du wirst erst akzeptiert, bis du dich soweit verändert hast, dass du in Schemen passt. Oberflächlichkeit wird hier groß geschrieben, und Einfühlungsvermögen ist bei Julie auch nicht vorhanden.
Zur Geschichte an sich: sie war leider sehr vorhersehbar, die letzten 70 Seiten waren ganz nett, aber nichts, wofür ich mir den restlichen Krampf nochmal antun würde. Die Geschichte hat sich auch zu langsam entwickelt, was die Vorhersehbarkeit nur noch unterstützt hat. Matt als Sidekick war ziemlich cool, aber Julie hat seine besonderen Charakterzüge so in den Dreck gezogen, dass es schwer aushaltbar war, die beiden im Buch zusammen zu erleben. Das Buch hat mir auch klar gemacht, was ich offenbar für ein Nerd sein muss, und das dann noch extrem negativ besetzt.
Ich kann absolut nicht nachvollziehen, wie dieses Buch überall mindestens vier Sterne bekommen hat, auch wurde es mir schon öfter empfohlen, weshalb ich etwas höhere Erwartungen hatte, die ich aber nach den ersten 30 Seiten direkt in den Boden gestampft habe.

Von mir bekommt das Buch definitiv keine Empfehlung und auch gerade einmal 2/10 Punkte – der zweite ist ein Trostpunkt.

(Merkt man, dass mich dieses Buch leicht aggressiv gemacht hat?)

Titel: Im freien Fall oder wie ich mich in eine Pappfigur verliebte
Autor: Jessica Park
Preis: 17,95€ (kauft euch dafür lieber was anderes)
Verlag: Loewe

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