Jule
ist 17, und möchte sich in den Osterferien vor den Abiprüfungen
noch einmal ein bisschen (Lern-) Urlaub gemeinsam mit ihrer besten
Freundin Evelyn gönnen. Doch der Plan ändert sich, als Evelyn nicht
mitfahren kann, somit beschließt Jule, alleine ins sonnige
Griechenland zu fliegen. Dort lernt sie Asman kennen, der es mit 31
weiteren Flüchtlingen nach einem Schiffbruch geschafft hat, sich auf
die kleine Insel, auf der Jule Urlaub macht, zu retten. Die beiden kommen sich näher, und Jule erfährt
vom grausamen Geschäft mit Schlepperei, vom Krieg in Syrien und
lernt, was Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit mit den Menschen machen
kann. Jules Welt steht auf dem Kopf. Das Meer ist ein Grab, das Dorf
ein Ort des Misstrauens, quer durch die Wellen läuft eine tödliche
Grenze, die niemand sieht.
Die
Geschichte geht relativ schleppend los, Jule spaziert hier über die
Insel, schnuppert dort ein bisschen griechische Luft, spricht hier
und da mit Einheimischen und Touristen, und bekommt relativ schnell
die abgeneigte Haltung gegenüber den auf anderen griechischen Inseln
strandenden Flüchtlingen mit. Doch sobald sie Asman kennenlernt,
beschleunigt die Geschichte, bis auf ein absolut rasantes Tempo auf
den letzten hundert Seiten. Die Geschichte ist ab dem Kennenlernen
(leider) relativ realitätsnah, allerdings finde ich die
Grundsituation mit der Siebzehnjährigen, die alleine in den Urlaub
fliegt, und dann auch ohne große Probleme den Urlaub in die
Abivorbereitungszeit in der Schule verlängert, ein bisschen
merkwürdig. Mich hätten meine Eltern niemals komplett alleine
(Freundin Evelyn war ja eigentlich eingeplant) in den Urlaub fliegen
lassen, geschweige denn sich bei wenig Melden keine Sorgen gemacht.
Da erscheinen Jules Eltern etwas naiv – Naivität ist ein gutes
Stichwort, denn das ist Jule gerade zu Beginn extrem, das bessert
sich jedoch im Lauf des Buchs. Asman ist toll als männlicher
Protagonist, tough und ausdrucksstark, was für seine Rolle auch sehr
angemessen ist. An manchen Stellen erscheint er ein wenig zu
gleichgültig, aber vermutlich gehört das zur (nachvollziehbaren)
Abgestumpftheit seines Charakters. Auch alle anderen vorkommenden
Rollen verhalten sich sehr realistisch und werden gut beschrieben.
Der
Großteil des Buchs wird aus Jules Sicht durch einen auktorialen
Erzähler geschildert, am Ende jedes (sehr langen) Kapitels gibt es
ein paar Seiten aus Asmans Sicht – interessant dadurch, dass der
„Erzähler“ Asman mit „Du“ anspricht, was es sehr selten zu
lesen gibt. Anstrengend fand ich, wie die Sprachbarrieren dargestellt
wurden, auch wenn die meiste Konversation auf Englisch ablief und
einfach kommentarlos auf Deutsch übersetzt wurde, gab es manche
Stellen, wo das Englische aufgeschrieben war, und die Übersetzung
bei den noch so leichtesten Sätzen hinterher geschmissen wurde. Auch
bekommt man durch sowohl schlechtes Englisch als auch schlechtes
Deutsch, merkbar durch die wirrsten grammatikalischen Konstruktionen,
sobald die Griechen genannte Sprachen sprechen, den Eindruck,
griechische Menschen könnten weder Englisch noch Deutsch fehlerfrei.
Der
Schreibstil war, wie ich es von Peer Martin auch sonst gewohnt war,
sehr gut, die Autorenkombi aus Peer Martin und Antonia Michaelis hat
dem Buch gut getan, auch wenn die manchmal unangenehm poetische
Sprache ein bisschen gestört hat.
Das
sind aber nur kleine Kritikpunkte, alles in allem war das Buch toll,
gerade schmerzhafte Szenen haben noch weiter in die Magengrube
geboxt, was aber nur förderlich war, um die Problematik
realitätsgetreu darzustellen.
Wichtiges
Buch, wichtige Botschaft, bekommt von mir durch die kleinen
Kritikpunkte keine vollen 10 Punkte, sondern „nur“ 9 von 10.
Titel: Grenzlandtage
Autor: Peer Martin und Antonia Michaelis
Verlag: Oetinger
Preis: 13,99€
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