Das war SO spannend! Pflichtlektüre!
Leonie schreibt hier neben einer unfassbar spannenden historischen Einordnung mal eben eine feministische Kampfschrift - und zwar in richtig gut! Ich habe so viel Neues gelernt, war erschrocken über so vieles und hätte zwischendurch gerne das Buch (bzw. den eReader) vor Wut über die Welt in der wir leben und insbesondere das Patriarchat aus dem Fenster geworfen. Der Schreibstil ist flüssig, gerade für ein Sachbuch, und ich habe Leonies einzelne persönliche Kommentare oder geschilderte Erlebnisse auch sehr geliebt, weil es eine gewisse Lockerheit gebracht hat.
Leonie taucht in die unterschiedlichsten Bereiche ein, die meisten davon historisch, aber sie alle haben gemein, dass Frauen (bzw. eigentlich sogar FINTA-, also Frauen, intergeschlechtliche, nichtbinäre Personen, trans Menschen und agender Menschen) ungerecht behandelt und ihrer Erkenntnisse oder ihres Schaffens beraubt wurden oder werden. Unfassbar spannend fand ich die Richtigstellungen zu von der modernen Gesellschaft verehrten historischen Männern. Dass Picasso ein Arschloch gewesen sein muss, was ist man sonst, wenn man sich sich mit 46 eine 17-jährige (Marie-Thérèse Walter) snackt, mit der man dann seine Frau betrügt, die sich folgerichtig von ihm scheiden lassen will, was man aber dadurch verhindert, indem man sich weigert, Unterhalt zu zahlen?
Oder - als Student:in am Bauhaus in Weimar auch wahnsinnig interessant - Walter Gropius, der Gründer des historischen Bauhaus, hat mit den Fotografien von Lucia Moholy das Bauhaus erst international bekannt gemacht, nachdem er Lucia gesagt hat, ihre von ihm verwahrten Fotonegative sind nach ihrer Flucht während des zweiten Weltkriegs bei einem Bombenangriff zerstört worden.
Oder Bertold Brecht, der sich einen ganzen Harem an von ihm emotional abhängigen Künstlerinnen und Schriftstellerinnen gehalten hat, die mit ihm Werke verfasst haben, auf denen heute natürlich nur sein Name steht.
Das sind nur einige Beispiele von Männern, die heute immer noch bekannt sind und in vielen Bereichen schlicht und ergreifend verehrt werden, die es aber niemals so weit geschafft hätten, wenn sie nicht von für die Gesellschaft unsichtbaren Frauen unterstützt worden wären oder sich ihre Arbeiten nicht einfach angeeignet hätten.
Ich könnte auch so viele Frauen aufzählen, deren Lebensgeschichten ich einfach unfassbar spannend fand, beispielsweise Lise Meitner, die die Atomkernspaltung entdeckte, oder Eleanor Marx, die als Tochter von Karl Marx seine problematischen Takes bekämpft und seine Schriften erst groß gemacht hat. Aber so tief will ich in einer Rezension gar nicht einsteigen - dafür müsst ihr dieses Buch wohl selber kaufen und verschlingen!! Wirklich, Sachbuchtechnisch ist das mein Jahreshighlight.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen